Otto – ein fleißiger Landwirt, zum loyalen Betriebsdirektor aufgestiegen, stirbt in jungen Jahren.
Heinrich – ein junger charmanter Freigeist. Liebt Goethe, Schiller und die Frauen. Er tritt in die Partei ein und zieht in den Krieg.
Leander – verweigert den Kriegsdienst, leistet stattdessen Zivildienst.
Vorväter, Väter, Söhne. Alle einander zugetan, doch sagen und zeigen können sie es nicht. Die Mütter – hilflos.
Roman über eine Familie in Kriegs- und Friedenszeiten. Bis hinein in die Gegenwart ringen authentisch gezeichnete Charaktere um Normalität und Bürgerlichkeit, um Anerkennung, Erfolg und Liebe.
Leander betrachtet den großen Bogen, der sich über sechs Jahrzehnte in Heinrichs Leben spannt. Vom kampfeslustigen und ideologisch aufgeladenen Kämpfer fürs heilige deutsche Vaterland, über den geläuterten Liberalen bis hin zum kranken und gekränkten Pensionär, in dem der alte Hass wieder fröhliche Urständ feiert, weil es ans Eingemachte geht.
Überwiegend jedoch war Heinrich in seinen wesentlichen Lebensjahrzehnten wach und lebendig, er liebte die Menschen im Allgemeinen und die Frauen im Besonderen, badete in seiner sprachlichen Vielschichtigkeit, entwickelte trotz des Ausbleibens akademischer Bildung eine Kultur des erfolgreichen Umgangs mit fast jedermann.
Doch in allen Zeiten stellen sich Fragen: Können sich die Söhne von den Fehlern und Verfehlungen ihrer Vorfahren frei machen? Wie tief bleibt die unbewusste Übertragung des erfahrenen und des angerichteten Leids in den Nachkommen stecken?
Wie dünn ist die Decke unserer demokratischen Kultur?
Ein Buch wie ein Film, mit spannenden Szenenwechseln. Reflektiert, politisch, und von feiner Ironie durchzogen.
Eine brillante Rezension ist bei Amazon erschienen, die wir hier mit Erlaubnis des Rezensenten Raimund Schöll zitieren dürfen:
Vaterfern mutterstill" ist die berührende Geschichte eines Nachkriegskindes, das seine eigene Existenz in Verknüpfung mit der Geschichte seiner Herkunftsfamilie verarbeitet. Während sich Leander, die Hauptfigur des Romans, in der Auseinandersetzung mit dem fernen und rastlos arbeitenden Vater, der im 2. Weltkrieg als fanatischer Wehrmachtssoldat diente, vom schüchternen Kind mit stiller ängstlicher Mutter zum selbstbewussten Kriegsdienstverweigerer und Pazifisten entwickelt, erhält der Leser fast wie nebenbei eine dichte Beschreibung der Lebensatmosphären der jüngeren Bundesrepublik. Ein Land, das schon bald nach dem Krieg auf der Vorderbühne wirtschaftlich in euphorischer Aufbruchstimmung ist, auf der Hinterbühne allerdings traumatisiert bleibt von der bis heute unfassbaren Katastrophe.
Stilistisch wählt E. Ruhl-Bady dabei einen interessanten Weg. Der Text bewegt sich zwischen nüchterner Beschreibung einerseits, literarischer Verarbeitung und feiner Ironie andererseits hin und her. Das Verhältnis Leanders insbesondere zum Vater bleibt bis zum Schluss ambivalent. Es ist vom Versuch zu verstehen geprägt bei gleichzeitigem Ringen um Abgrenzung. Eindrucksvoll gelingt es Bady, die neuralgischen Punkte und Abgründe der sogenannten Kriegsgeneration, der es oft an Einfühlsamkeit gegenüber den eigenen Kindern (den sogenannten Kindern der Kriegskinder bzw. Kriegsenkeln) ermangelte, empathisch aber auch unprätentiös zu beschreiben: „Riesige Verwechslungen hatten Leanders Vater empfänglich gemacht für Rassismus und Tyrannei, im Ergebnis für Krieg. Heinrich hatte Leid gebracht und selbst viel gelitten. Fast ohne Unterlass bildete Vaters Vergangenheit über Jahrzehnte eine verlässliche Hintergrund Stimmung in Leanders Gedanken, aber er war nicht nur erschrocken: Vaters bewusste Wendung vielleicht noch zeitig genug nötigte Leander Respekt ab.“
Das Buch hält vom Anfang bis zum Ende durch, was es im „Klappentext“ verspricht. Es zeichnet authentische Charaktere, die um Normalität und Bürgerlichkeit, um Anerkennung, Erfolg und Liebe ringen. Es gibt spannende Szenenwechsel wie in einem Film.
Vaterfern mutterstill kann man als ein leidenschaftliches Plädoyer für Demokratie und Humanität lesen, aber auch als eine gelungene persönliche Aufarbeitung der tragischen Trias von Leid, Schuld und Tod. Als Leser hat mich der Roman berührt, weil er daran erinnert, dass es trotz familiärer und systemischer Verstrickungen stets einen freien Bereich gibt, den man entdecken und gestalten kann, um seinen eigenen Weg zu gehen. Gegen Ende schreibt Leander in einem Brief an seinen Vater folgendes: „Die Demagogie der Großen Verwirrung ist ein schleichendes Gift. Deshalb sollte der Innere Kompass in der Seelentasche stets greifbar sein. Das Instrument, das das Herz erwärmt und den Geist frei atmen lässt.“
Dieses Buch werde ich so schnell nicht vergessen.
Erich Ruhl-Bady
vaterfern mutterstill
Roman
140 Seiten, Hardcover
Verlag Kleine Schritte
ISBN 978-3-89968-163-5